Kurt Münzer: BRUDER BÄR. Ausgewählte Novellen und Feuilletons

(Nachwort Michael Helming)

Es fröstelt stets ein wenig, selbst im Sonnenschein. Eine seltsame Unsicherheit liegt über allem, eine lichtschwache Zeitenwende. Die Dinge können noch so schillernd beschrieben sein, etwas in ihnen ist ausgewaschen, fahl, bleich. Wo Brückenpfeiler sich aus blassem Dunst lösen, da erscheint eine Stadt. Tinte kann ebenso blass sein, eine Kerzenflamme, ganze Landschaften und die Milchstraße. In dieses Universum schreibt Kurt Münzer mit Herzblut eine Menschheit hinein, die den Dingen gleicht; Annäherung entgleitet ihr zur Anpassung, gegen die sie sich einerseits sträubt und an der sie andererseits zerbricht. Das sind keine Automaten, sondern Charaktere, in eine sich rasch verändernde Zeit geworfen, und die damit einhergehende neue Ordnung produziert Chaos. Als Personen funktionieren sie, oft gegen ihren Willen oder ohne ihr Funktionieren auch nur zu ahnen. Dann suchen sie plötzlich den Ausbruch, eine Korrektur, die Tat. Andere hingegen haben sich dem, was sie als Schicksal begreifen wollen längst schon ergeben: "Der wilde Indianer wischte sich Schminke und Tätowierung ab und wurde ein blasser, armer, stiller Mensch, der vielleicht glückliche Jugend, schuldlose Sünde, unfreiwillige Abenteuer seines Lebens überdachte.“ Manchmal beschattet ein brauner Hut ein fahles Gesicht. Ganz gleich jedoch, ob milde, alte Dame, feuchtwangiges Mädchen, schüchterner, ängstlicher Jüngling oder Herr, den Lebenden fehlt es an Farbe, denn Münzer setzt die Pigmente geschickt außerhalb seiner Figuren.  (Aus dem Nachwort)

Diese sammlung wurde für die vorliegende publikation zusammengestellt. - Bei A+C wiederveröffentlicht wurden auch kurt münzers romane 'Jude ans Kreuz!', 'Phantom', 'Esther Berg' und 'Menschen vom Schlesischen Bahnhof'.

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