Friedrich v. Raumer: MARIE, SPREU UND FRIEDRICH II. IM BERLINER VORMÄRZ

(Hrsg. Mondrian v.Lüttichau)

Den berliner historiker und politiker friedrich v. raumer (1781-1873) gilt es wiederzuentdecken als achtsamen und tiefgründig kritischer humanisten, der manche problematischen momente heutigen bewußtseins erspürt hat: ideologisierung, verdinglichung, überwindung der geist/körper-, denken/fühlen-dichotomie und relativierung der christlichen dogmatik.

Besonders deutlich wird raumers ansatzweise durchaus dialektische verbindung von 'preußischen sekundärtugenden' und romantischer idealisierung, gelassenem gottvertrauen und aufklärerischem, demokratischem engagement in seiner hier neu herausgegebenen aphorismensammlung 'Spreu', die der autor ursprünglich im jahr 1848 veröffentlichte - wenn auch anonym!  In ihr wird der schritt für schritt ambivalente übergang in die "entzauberte welt" (max weber) im 19. jahrhundert als individueller bewußtseinsprozeß sinnlich nachvollziehbar. Selten läßt sich historischer bedeutungswandel von begriffen und phänomenen ähnlich konkret beobachten. Und schon bei raumer wird deutlich, wie der idealistisch-humanistische impuls eines aufklärerischen fortschritts die verdinglichende abgrenzung von allem "nichtidentischen" (adorno) impliziert.

Durch etliche initiativen setzte raumer sich dafür ein, breiteren bevölkerungskreisen (auch frauen!) zugang zu fachlicher bildung zu ermöglichen. Seine kritischen meinungsäußerungen brachten ihn häufig in konflikt mit dem monarchistischen establishment; auch während der berliner märzrevolution stand er (als nationalliberaler) auf seiten der fortschrittlichen kräfte.

Friedrich v. raumer war ein enger freund ida v.lüttichaus; ihre briefe an ihn wurden im ergänzungsband zu 'Wahrheit der Seele - Ida v. Lüttichau' (bei A+C) erstmalig veröffentlicht.

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